Studienfahrt — Bericht aus Prag

Mon­tag, sie­ben Uhr mor­gens, vor der Tür eines Pra­ger Hotels. Ein Rei­se­bus spuckt 45 müde Schü­ler samt Gepäck und drei Leh­rern aus, Kof­fer sam­meln sich auf dem noch lee­ren Bür­ger­steig. Die Son­ne ver­steckt sich hin­ter dem wol­ken­ver­han­ge­nen Him­mel, in der Fer­ne sieht man das gol­de­ne Dach des Natio­nal­mu­se­ums. Ers­te Impres­sio­nen aus Prag, die die meis­ten jedoch auf­grund der acht­stün­di­gen Nacht­fahrt kaum regis­trie­ren. Die mensch­li­chen Bedürf­nis­se Hun­ger und Schlaf mel­den sich zuerst.

Kein wirk­lich dyna­mi­scher Start, den die Kurs­fahrt 2018 hier hin­legt, obwohl es doch eigent­lich die letz­te wirk­lich ent­spann­te Woche ist, bevor Klau­su­ren und Haus­auf­ga­ben den All­tag wie­der über­neh­men. Aber nach­dem der feh­len­de Schlaf der letz­ten Nacht nach­ge­holt wur­de, wacht die Trup­pe wie­der etwas auf. In Klein­grup­pen durch­strei­fen wir die Stadt, die meis­ten sind auf der Suche nach Restau­rants, denn das letz­te war­me Essen liegt schon etwas zurück.

Am nächs­ten Mor­gen sind die Augen­rin­ge von der Bus­fahrt ver­schwun­den, dafür sind bei eini­gen neue hin­zu­ge­kom­men. Pünkt­lich ste­hen trotz­dem alle vor ‘m Hotel, denn heu­te steht eine Stadt­füh­rung durch die Alt­stadt Prags und das jüdi­sche Vier­tel an. Die Tour führt uns über den Wen­zels­platz durch die Alt­stadt und mit einem Abste­cher zur astro­no­mi­schen Uhr, die lei­der hin­ter einem Bau­ge­rüst ver­schwun­den ist, errei­chen wir schließ­lich unser eigent­li­ches Ziel: das jüdi­sche Vier­tel mit­samt sei­nen vie­len Syn­ago­gen, von denen wir eini­ge besu­chen. Beson­ders beein­dru­ckend ist das jüdi­sche Muse­um mit dem ange­schlos­se­nen Fried­hof. Die ehe­ma­li­ge Syn­ago­ge dient heu­te als Gedenk­stät­te für die tsche­chi­schen Opfer des Holo­causts, deren Namen auf den Wän­den ver­ewigt sind.

Nach­dem die Füh­rung vor der Spa­ni­schen Syn­ago­ge endet, haben wir den Rest des Tages frei. Die Grup­pe zer­streut sich wie­der, die Inter­es­sen sind ganz unter­schied­lich, im Hotel blei­ben will jetzt aber nie­mand. Beson­ders abends zeigt sich die Stadt noch­mal von einer ganz ande­ren Sei­te, die Men­schen­strö­me rei­ßen gar nicht ab. Im Dun­keln ste­hen wir auf der rand­vol­len Karls­brü­cke und bli­cken unse­rem nächs­ten Ziel ent­ge­gen: der Pra­ger Burg, die hell erleuch­tet über der Stadt wacht.

Am nächs­ten Tag tau­schen wir die Per­spek­ti­ven. Nun ste­hen wir hoch über der Stadt, die sich wie ver­streu­te Lego­stei­ne vor uns aus­brei­tet. Zusam­men mit vie­len ande­ren Tou­ris­ten drän­gen wir uns durch die Gas­sen rund um die Pra­ger Burg, lau­fen durch Fol­ter­kel­ler und besu­chen Kaf­kas altes Haus. Eine ordent­li­che Por­ti­on geschicht­li­che Infor­ma­ti­on kann hier gar nicht feh­len, beson­ders die Pra­ger Fens­ter­stür­ze wer­den häu­fig erwähnt. Einen star­ken Kon­trast krie­gen wir trotz­dem gebo­ten, denn beim Ver­las­sen der Burg wer­den wir plötz­lich auf die Sei­te gewun­ken. Indi­sche Musik dröhnt aus Laut­spre­chern – wir sind mit­ten in den Dreh eines Bol­ly­wood-Films hin­ein­ge­lau­fen. Nach­dem sich die Grup­pe in der Men­schen­trau­be, die sich mitt­ler­wei­le gebil­det hat, wie­der­ge­fun­den hat, geht es wei­ter Rich­tung Karls­brü­cke, unser letz­ter Stopp für heu­te. Nach zwei Tagen Stadt­er­kun­dung haben eini­ge  auch schon etwas abge­lau­fe­ne Schu­he. Die geschicht­li­che  Bedeu­tung, die die­se Stadt in sich trägt, haben wir zwar nur ober­fläch­lich ken­nen­ge­lernt, aber der klei­ne Crash-Kurs tat beson­ders dem Geschichts-LK gut.

Nach zwei Tagen locke­rer Erkun­dung, Frei­zeit und Ent­span­nung erwar­tet uns am letz­ten Tag etwas kom­plett ande­res. Die Grup­pe begibt sich auf einen ganz­tä­gi­gen Aus­flug nach The­re­si­en­stadt, das bekann­te jüdi­sche Ghet­to, des­sen ange­schlos­se­nes Gefäng­nis – die heu­ti­ge Gedenk­stät­te des ehe­ma­li­gen Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers – beson­ders wäh­rend des zwei­ten Welt­kriegs für den Tod von tau­sen­den Juden und poli­ti­schen Gefan­ge­nen ver­ant­wort­lich war. Auch Gavri­lo Prin­cip, der Atten­tä­ter von Sara­je­wo, der mit sei­nem Anschlag auf das Leben des öster­rei­chi­schen Thron­fol­gers den ers­ten Welt­krieg aus­lös­te, starb hier nach drei­jäh­ri­ger qual­vol­ler Haftstrafe.

Nach dem Tru­bel in Prag kommt einem The­re­si­en­stadt unglaub­lich still vor, obwohl auch hier meh­re­re Rei­se­bus­se par­ken. Die Son­ne strahlt zwar vom Him­mel, warm wird einem hin­sicht­lich der Gräu­el­ta­ten, die hier ver­übt wur­den, trotz­dem nicht. Nach der Bege­hung der Klei­nen Fes­tung fah­ren wir in das ehe­ma­li­ge Ghet­to und haben Zeit, uns eine Aus­stel­lung über die Män­ner, Frau­en und Kin­der, die hier auf­wuch­sen, leb­ten, arbei­te­ten und oft­mals auch star­ben, anzu­se­hen. Die Bus­fahrt nach Hau­se ver­läuft dem­entspre­chend still, denn die­se Ein­drü­cke müs­sen erst­mal ver­ar­bei­tet wer­den. Wir alle durf­ten eine Erfah­rung machen, die nicht nur beein­dru­ckend, son­dern unglaub­lich wich­tig ist. Es gilt, die­je­ni­gen zu ehren, die ihr Leben für etwas lie­ßen, was sich in unse­re Geschich­te nicht mehr wie­der­ho­len darf. Die­se Ver­ant­wor­tung  spü­ren wir beson­ders, wäh­rend drau­ßen Fel­der an uns vorbeiziehen.

In Prag geht es wei­ter, denn obwohl der Tag bei wei­tem nicht so sorg­los war wie der Rest der Woche, haben alle zu tun: Kof­fer packen. Unse­re Kurs­fahrt ist vor­bei, am nächs­ten Mor­gen geht es wie­der nach Hau­se. Der letz­te Abend wird aus­ge­nutzt, im Bus kann man ja schla­fen, aber Prag wer­den die meis­ten so schnell nicht mehr wiedersehen. 

Den letz­ten Abend sieht man uns auch an, als wir mor­gens in den Bus stei­gen. Im Gegen­satz zur Span­nung, die bei der Abfahrt herrsch­te, domi­niert hier die Müdig­keit. Die ver­schie­de­nen Erfah­run­gen geis­tern noch im Kopf her­um, wäh­rend wir den kom­men­den Wochen ent­ge­gen­bli­cken: Klau­su­ren ste­hen an, Haus­auf­ga­ben müs­sen noch erle­digt wer­den und über allem schwebt schon etwas bedroh­lich das Abitur im nächs­ten März. Ein paar schö­ne Erin­ne­run­gen für die stres­si­ge Zeit, die vor uns liegt, haben wir aber auf jeden Fall gesammelt.

Bericht: Lil­li Stef­fens, Fotos: Wee­na Titze

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